Eine Wolke von Geheimnis darüber gelegt

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Was ich in der kleinen Sammlung einzelner für sich bestehender Abhandlungen, die ich unter dem Titel „Wegweiser“ herausgab, über Jakob Böhme gesagt habe, will, wie Sie richtig verstehen, darauf hinweisen, daß Böhme angenommener, geistig berufener Schüler der Leuchtenden des Urlichtes war. Ihm selbst war dieser Umstand etwas so Heiliges, daß er eine Wolke von Geheimnis darüber zu legen wußte. So viel auch über Böhme geschrieben wurde, so war doch niemand in der Lage, dieser geistigen Beziehung gerecht zu werden. Allerdings gibt Jakob Böhme die Schilderungen seiner geistigen Erlebnisse und Einsichten auch in so barocker und eigenwilliger Form, die durch den falschen Gebrauch der ihm durch seine gelehrten Freunde bekannt gewordenen lateinischen und latinisierten Worte nur noch krauser wird, daß man schon selbst sehr genau um solches Erleben wissen muß, um zu er-kennen, was er jeweils darstellen wollte. Anders aber steht es um die deutschen Mystiker, wie den Frankfurter Deutschordensherrn unbekannten Namens, der die „Theologia deutsch“ geschrieben hat, um Tauler, Seuse, Meister Eckhart. Das waren grundgelehrte Männer, die auf harten philosophischen Wegen zu ihren Erkenntnissen kamen, die sie dann nur schwer vor der kirchlichen Verdammung bewahren konnten.

Von Mystik und Böhme. Siebzehnter Brief aus „Briefe an Einen und Viele“ von Bô Yin Râ

Der ganze Beitrag von Bô Yin Râ kann hier gelesen werden:

XII. MAGISCHE BLÄTTER BUCH | WINTER
CIII. Jahrgang Winter 2022 / 2023 | Spuren (November | Heft 34)

EINZELBUCH, 364 Seiten, 20,00 € (zuzüglich Versandkosten)
ISBN-Nr. 978-3-948-5941-5 2

Herausgeber: Verlag Magische Blätter – Ronnenberg | Schriftleitung: Organisation zur Umwandlung des Kinos

Bestellungen hier: kontakt@verlagmagischeblaetter.eu subject: BESTELLEN MAGISCHE BLÄTTER BUCH XII

Individuum und Gemeinschaft

Josef Albers: Hommage to the Square 1969 / Foto:(c) wak

Ich glaube, die Kunst steht in Parallele zum Leben. Farbe verhält sich in meinen Augen wie ein Mensch – auf zwei unterschiedliche Weisen: einmal als Selbstverwirklichung und dann als Verwirklichung der Beziehung zu anderen… Mit anderen Worten, man muss es verstehen, ein Individuum zu sein und zugleich ein Mitglied der Gemeinschaft.

Josef Albers (1888 – 1976)

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Psychologische Drogen

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Wenn Machthaber durch Worte und Gesten ein Symbol einbeziehen, sei es auch ein konventionelles, wie die Flagge eines Staates, die allerdings geschätzte Werte versinnbildlicht, können leidenschaftliche Wallungen zum Paroxismus (Folge von sich steigernden Ausbrüchen. wak) getrieben werden. Die Wiederholung von Worten und Sätzen, besonders religiöser, patriotischer oder politischer Natur, wie auch die Wiederholung von Schlagworten, wirken als psychologische Drogen.

Frederic Lionel (1908 – 1999) in: Das Vermächtnis des Pythagoras. Grafing 1990, S. 75

Meister Eckhart: Mystiker auf Messers Schneide

Gedenktafel am Erfurter Predigerkloster für Meister Eckhart (1260 – 1328) / Foto: (c) wak

Es ist das unvermeidbare Schicksal der Mystik und ihrer Heiligen, zwischen Aufschwung und Absturz, zwischen religiöser Klassizität und kirchlicher Verdammung wie auf Messers Schneide hingehen zu müssen. Das tragische Schicksal des Meisters selbst liegt in diesem Sachverhalt beschlossen. Der in Gott ruhende Meister Eckehart ist aber auch im geistesgeschichtlichen Sinn kein Gewesener. Er ist vielmehr mit der ganzen Wucht seiner Gotteskindschafts-Verkündigung ein kaum erst geahnter Künftiger, ein geistig erst Kommender.

Dieser allgegenwärtig in Gott ruhende Meister Eckehart hat bei Lebzeiten seine Gegner in heiliger Einfalt nicht „erkannt“. Er spricht auch heute noch zu ihnen mit jedem seiner kämpferischen Worte:

„Die ihr euch an mir wie auch immer ärgert, ihr kennt euch selbst nicht, ihr kennt mich nicht. Denn: ihr kommt im Umkreis wahren Gotterlebens gar nicht vor.“

Friedrich Alfred Schmid Noerr in seiner Einleitung zu Meister Eckehart: Vom Wunder der Seele. Eine Auswahl aus den Traktaten und Predigten. Stuttgart 1963, S. 10-11

Atmen, das unsichtbare Gedicht!

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Atmen, das unsichtbare Gedicht!
Immerfort um das eigne
Sein rein eingetauschter Weltraum. Gegengewicht,
in dem ich mich rhythmisch ereigne.

Einzige Welle, deren
allmähliches Meer ich bin;
sparsamstes du von allen möglichen Meeren, –
Raumgewinn.

Wieviele von diesen Stellen der Räume waren schon
innen in mir. Manche Winde
sind wie mein Sohn.

Erkennst du mich, Luft, du, voll noch einst meiniger Orte?
Du, einmal glatte Rinde,
Rundung und Blatt meiner Worte.

Rainer Maria Rilke (1875 -1926) in: „Sonette an Orpheus, Zweiter Teil“, 1922

die blaupause für ein Leben

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die technik der stille
die rituale, die etikette

die verwischung der begriffe
die stille, nicht die abwesenheit

von worten oder musik oder sogar
roher klänge

stille kann ein plan sein
rigoros ausgeführt

die blaupause für ein Leben

sie ist eine präsenz
es hat eine geschichte eine form

verwechseln sie es nicht
mit irgendeiner art von abwesenheit.

Adrienne Rich (1929 – 2012)

Sophie Scholl 100 Jahre…

Reden zum Gedenken an Sophie Scholl und die „Weiße Rose“

Wo von großen geistigen Linien gesprochen wurde,
schauten sie auf das Schicksal des geringsten Menschen,
wo klingende Worte ertönten,
blickten sie nach den Taten,
wo man von Größe sprach,
sahen sie aufs konkrete Kleine,
wo vom Volk die Rede war,
betrachteten sie den einzelnen.

Sie witterten die Hohlheit eines Idealismus,
der um eines angeblich großen Fernzieles willen
das Naheliegende mißachtete
und das Leben ringsum zertrampelte.

So wurde das Menschliche offenbar.

Inge Scholl, „Es lebe die Freiheit“. Gedenkrede am 4. November 1945 für Sophie Scholl, Willi Graf, Hans Leipelt, Christoph Propst, Alesander Schmorell, Hans Scholl.
Weiterer Redner war Romano Guardini: „Die Waage des Daseins“.

Der vollständige Text der Reden ist hier nachzulesen: https://www.universitaetsarchiv.uni-muenchen.de/digitalesarchiv/rektoratsunduniversitatsreden/pdf/254.pdf

Segen oder Fluch

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Die Allermeisten wissen nicht — und manche wollen es nicht wissen — dass Worte und Gedanken für die Wirkung in das Innere des Menschen fast gleichen Wertes sind wie die vollbrachte Tat, und dass sie stets durch all ihr Denken, Reden oder Tun nicht nur ihr eigenes Inneres in guter oder übler Weise formen, sondern auch der Innenwelt der anderen entweder zum Segen werden oder zum Fluch…

BÔ YIN RÂ / Josef Anton Schneiderfranken (1876 – 1943)