Ein Hauch der Sache selbst

M y s t i k

Wenn es denn etwas gibt, was sich mit Mystik nicht verträgt, ist es die Geschichte der Mystik – und doch, wer will ausschließen, daß im Reden über etwas, das bloßes Darüber-Reden eigentlich verbietet, ein Hauch der Sache selbst vergegenwärtigt?

Peter Sloterdijk (* 1947) in: Wer noch kein Grau gedacht hat. Eine Farbenlehre. Berlin 2022, S. 231

… auf sich warten lassen

Utopia von Thomas Morus / Bild: Archiv

Dass alle Verhältnisse sich gut gestalten,
ist nicht möglich,
wenn nicht die Menschen
alle gut sind.

Und das, meine ich,
wird noch eine gar hübsche Weile
auf sich warten lassen.

Thomas Morus (1478 – 1535) in „Utopia“ – Erstes Buch

Was also ist die Zeit?

Fotographik: (c) wak

Was also ist die Zeit? Wenn mich niemand danach fragt, weiß ich es; will ich aber einem Fragenden es erklären, weiß ich es nicht. Aber zuversichtlich behaupte ich zu wissen, daß es vergangene Zeit nicht gäbe, wenn nichts verginge, und nicht künftige Zeit, wenn nichts herankäme, und nicht gegenwärtige Zeit, wenn nichts seiend wäre.

Augustinus (354 – 430) in: Confessiones, XI. Buch, 14

Ich habe meinen eigenen Weg zu gehen

Suzukis wichtiger Beitrag zum Verhältnis von Buddhismus und Christentum

Immer wieder, wenn ich Ihre Seiten lese, sagt etwas in mir: „Das ist es!“ Fragen Sie mich nicht was. Ich habe nicht das Bedürfnis, es irgendjemandem zu erklären, zu rechtfertigen oder für mich selbst zu analysieren. Ich habe meinen eigenen Weg zu gehen, und aus irgendeinem Grund ist Zen mitten drin, wo immer ich auch hingehe.

Thomas Merton März 1959 in einem Brief an D.T. Suzuki

Wünschenswerte Produkte hervorbringen

Ornament von Josef Albers / Foto: (c) wak

Alle Gefühle, wie z.B. Anhaftung, Losgelöstheit, Leidenschaft, Wut, Trauer, Heiterkeit, Angst und Verwirrung, haben ihren Nutzen in unserem Leben, und aus jedem der oben genannten Gefühle können wir Nutzen ziehen, wenn wir ihr Geheimnis kennen. Bei allen Gedanken und Vorstellungen und durch alle Fähigkeiten des Geistes, wie Wille, Gedächtnis, Denken, Vernunft, und das Ego, können wir wünschenswerte Produkte hervorbringen.

Hazrat Inayat Khan (1882 – 1927)

Hälfte des Lebens

Mit gelben Birnen hänget
Und voll mit wilden Rosen
Das Land in den See,
Ihr holden Schwäne,
Und trunken von Küssen
Tunkt ihr das Haupt
Ins heilignüchterne Wasser.

Weh mir, wo nehm’ ich, wenn
Es Winter ist, die Blumen, und wo
Den Sonnenschein,
Und Schatten der Erde?
Die Mauern stehn
Sprachlos und kalt, im Winde
Klirren die Fahnen.

Friedrich Hölderlin (1770 – 1843)

Das Gedicht „Hälfte des Lebens“ erschien zuerst im Jahr 1804 in Friedrich Wilmans Taschenbuch für das Jahr 1805.

Quelle des Guten

Foto: (c) wak

Arbeite an deinem Innern.
da ist die Quelle des Guten,
eine unversiegbare Quelle,
wenn du nur immer nachgräbst.

Marc Aurel (121 – 180) in seinen „Selbstbetrachtungen“, Siebentes Buch, Nr. 59

Wenn niemals Du in Sorge um den andern brennst

Foto: (c) wak

Als Adams Nachfahr sind wir eines Stammes Glieder.
Der Mensch schlägt in der Schöpfung als Juwel sich nieder.
Falls Macht des Schicksals ein Organ zum Leiden führt,
sind alle andern von dem Leid nicht unberührt.
Wenn niemals Du in Sorge um den andern brennst,
verdienst Du nicht, dass Du Dich einen Menschen nennst.

Das Gedicht von Saadi (1190-1283) hängt im Eingang bei den Vereinten Nationen in New York

Uns ein neues Sehen eröffnen

Umschlag des Kataloges der Galerie Boisserée, Köln

Wenn man weiß, dass man nichts weiß,
wenn man aufmerksam ist für das, was man nicht kennt,
wenn man dem Beachtung schenkt, was unbekannt erscheint,
dann erst sind Entdeckungen möglich.
Man muss einen langen Weg zurücklegen, um zu dieser totalen Naivität,
zu dieser Transparenz, dieser Unschuld zu gelangen,
durch die uns ein neues Sehen eröffnet wird.

Pierre Soulages (1919 – 2022)

Hier der Link zum Katalog der Ausstellung: https://www.pierre-soulages.com/wp-content/uploads/2015/04/DOC_CAT_Boisseree_Malereu_und_grafik_2009.pdf