Keiner ist ohne Beichtzettel…

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… Heimlich zugebend, dass die Bergpredigt für ihn nicht gelte, dass die vom Individuum geforderte Moral für ihn nicht gelte, dass die einfachsten altruistischen Gebote für ihn nicht gelten, will er Gott verdrängen und sich an seine Stelle setzen. Und glückt das nicht, so stellt er sich hinter das noch aufrechte Kruzifix, und der Betende ahnt nicht, vor wem er kniet. Drücke die Schwachen – aber schwenke die Fahnen! Bestrafe die Kranken – aber liebe den Präsidentensitz! Schände die Heimat – aber achte den Staat! Und keiner, keiner ist ohne Beichtzettel. …

Kurt Tucholsky (1890-1935) in: Ein Pyrenäenbuch / https://www.textlog.de/tucholsky-beichtzettel.html

Den Zweck seines Daseins kennen

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Wer nicht weiß, was die Welt ist,
der weiß auch nicht, wo er lebt.
Wer aber den Zweck seines Daseins nicht kennt,
der weiß weder,
wer er selbst, noch was die Welt ist.

Wem aber diese Kenntnis fehlt,
der kann auch seine eigene Bestimmung nicht angeben.
In welchem Lichte erscheint dir nun ein Mensch,
der die Lästerung derer fürchtet
oder um den lauten Beifall derer buhlt,
die nicht wissen, wo oder wer sie selbst sind?

Marc Aurel (121 – 180) in: Selbstbetrachtungen, Achtes Buch, 52

Weitere spirituelle Anregungen finden sich hier: https://mystikaktuell.wordpress.com/

Kein Medium ohne Verantwortung

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In einer Medienwelt, die nur so strotzt vor Häme, Hass, Propaganda, Vorverurteilungen und Verunglimpfungen ist scheinbar immer weniger sachliche Information zu lesen, notwendige Aufklärung. Sensation geht vor Sachlichkeit, Auflage / Quote vor wirklich wichtige Hintergründe fraglicher Geschehen. Kaum mehr scheint aufzuscheinen, dass es kein Medium geben dürfte, dass sich an seine  Verantwortung erinnert. Hier sechs Punkte, die das optimieren könnten:

1. Wer trägt Verantwortung? (Handlungsträger);
2. Was ist zu verantworten? (Handlung);
3. Wofür trägt er Verantwortung? (Folgen);
4. Wem gegenüber trägt er Verantwortung? (Betroffene);
5. Wovor muss er sich verantworten? (Instanz, z. B. Gewissen, Öffentlichkeit);
6. Weswegen muss man sich verantworten? (Werte, Normen, Kriterien)

So Rüdiger Funiok zum Stichwort Medienethik. In: Jürgen Hüther/Bernd Schorb (Hrsg.), Grundbegriffe der Medienpädagogik. 4., vollständig neu konzipierte Auflage. München 2005, S. 243–251, hier: 247

Niemand ist eine Insel

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Kein Mensch ist eine Insel,
vollständig für sich allein;
jeder Mensch ist ein Stück des Kontinents,
ein Teil der Heimat.

eines jeden Menschen Tod zehrt mich auf,
verstrickt wie ich bin in die Menschheit.
Und deshalb, nie noch gesandt zu wissen,
wem die Glocke schlägt;
sie schlägt für Dich.

John Donne (1572 – 1631) Meditation XVII

https://www.ccel.org/ccel/donne/devotions.iv.iii.xvii.i.html

Der Text des Gedichtes wurde heute in Barcelona bei der Trauerfeier zum Gedenken an die Terroropfer vom 17. August 2017 von Angehörigen der Getöteten und Verletzten gesprochen.

Schwierigkeiten beim Schreiben der Wahrheit

Durch die jahrhundertlangen Gepflogenheiten des Handels mit Geschriebenem auf dem Markt der Meinungen und Schilderungen, dadurch, daß dem Schreibenden die Sorge um das Geschriebene abgenommen wurde, bekam der Schreibende den Eindruck, sein Kunde oder Besteller, der Mittelsmann gebe das Geschriebene an alle weiter. Er dachte: ich spreche, und die hören wollen, hören mich. In Wirklichkeit sprach er; und die zahlen konnten, hörten ihn. Sein Sprechen wurde nicht von allen gehört, und die es hörten, wollten nicht alles hören. Darüber ist viel, wenn auch noch zu wenig gesagt worden; ich will hier nur hervorheben, daß aus dem „Jemandem schreiben“ ein „schreiben“ geworden ist. Die Wahrheit aber kann man nicht eben schreiben; man muß sie durchaus  jemandem  schreiben, der damit etwas anfangen kann. Die Erkenntnis der Wahrheit ist ein den Schreibern und Lesern gemeinsamer Vorgang. Um Gutes zu sagen, muß man gut hören können und Gutes hören. Die Wahrheit muß mit Berechnung gesagt und mit Berechnung gehört werden. Und es ist für uns Schreibende wichtig, wem wir sie sagen und wer sie uns sagt.

Bertolt Brecht in: „Fünf Schwierigkeiten beim Schreiben der Wahrheit“

 

Den kompletten Text gibt es hier:

http://www.gleichsatz.de/b-u-t/spdk/brecht2.html