Die Aufseherin – der Fall Johanna Langefeld

Filmplakat zu „Die Aufseherin“

Um Frauen im Krieg, um Täter und Opfer geht es in dem Film „Die Aufseherin – Der Fall Johanna Langefeld“. Die Filmautoren erforschen die Geschichte von Johanna Langefeld, der SS-Oberaufseherin der größten Konzentrationslager für Frauen in Auschwitz und Ravensbrück, die in Krakau ihren Prozess erwartete und am 23. Dezember 1946 mit Hilfe ihrer ehemaligen Gefangenen aus dem Gefängnis Montelupich/Krakau flüchtete. Die Geschichte wurde geheim gehalten, um sowohl die ehemalige SS-Oberaufseherin wie auch ihre polnischen Fluchthelferinnen vor strafrechtlicher Verfolgung zu schützen.

Die Filmautoren sprachen mit polnischen Überlebenden aus dem KZ Ravensbrück, alle äußerten sich sehr positiv über Johanna Langefeld. Zeugenaussagen in früheren Prozessen bestätigen, dass Johanna Langefeld keine Sadistin war, aber eine überzeugte Nationalsozialistin und Anti-Semitin. Sie ordnete harte Strafen an und führte die Selektionen im Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück im Rahmen der Mordaktion „14f13“ und in Auschwitz durch.

Auf der Grundlage von Archivmaterial und Aussagen von Zeitzeugen versuchen die beiden Filmautoren aus Polen und Deutschland, sich einer hochrangigen Nazi-Täterin, die gleichzeitig das Leben einzelner Gefangenen gerettet hat, zu nähern. Sie wollen mit der Dokumentation dieser einzigartigen Episode der Nachkriegszeit den Blick auf die deutsch-polnische Geschichte aus beiden Perspektiven erweitern.

Wissenschaftliche Beratung Dr. Johannes Schwartz / Barbara Oratowska

http://www.rohdedahl.de/johannas-geheimnis.html

Noch bis zum 5. August ist der Film in der ARD-Mediathek verfügbar:

https://www.ardmediathek.de/daserste/video/reportage-und-dokumentation/dokumentarfilm-im-ersten-die-aufseherin/das-erste/Y3JpZDovL2Rhc2Vyc3RlLmRlL3JlcG9ydGFnZSBfIGRva3VtZW50YXRpb24gaW0gZXJzdGVuLzIyM2Y3YjE2LWY1NzYtNDZhOS05MmYyLTQxZmJmMjIxOWRhYg/

Die Erinnerung wach halten

Foto: © wak

Überleben ist ein Privileg, das verpflichtet. Ich habe mich immer wieder gefragt, was ich für die tun kann, die nicht überlebt haben. Die Antwort, die ich für mich gefunden habe (und die keineswegs die Antwort jedes Überlebenden sein muss), lautet: Ich will ihr Sprachrohr sein, ich will die Erinnerung an sie wach halten, damit die Toten in dieser Erinnerung weiterleben können. Aber wir, die Überlebenden, sind nicht nur den Toten verpflichtet, sondern auch den kommenden Generationen: Wir müssen unsere Erfahrungen an sie weitergeben, damit sie daraus lernen können. Information ist Abwehr. Überlebende müssen wie Seismographen sein, sie müssen die Gefahr – früher als andere – wittern, in ihren Konturen erkennen und aufzeigen. Sie haben nicht das Recht, sich ein zweites Mal zu irren und für harmlos zu halten, was in einer Katastrophe münden kann.

Simon Wiesenthal (1908 – 2005) in: Recht, nicht Rache

Das Zitat wurde häufig von Rudolf Gelbard (1930 – 2018) erwähnt, der jetzt in Wien verstorben ist. Mehr zu ihm hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Rudolf_Gelbard

„Vielleicht kommt noch einer auf die ldee: Die haben wir vergessen zu holen.“

Opfern des Holocaust fällt es schwer, über das Erlebte zu berichten

In Paris wurde jetzt eine Frau ermordet, die den Holocaust überlebt hatte. Vermutet wird ein antisemitischer Hintergrund. Das ließ mich an jenes Interview mit Anna Otto denken, das ich vor über 20 Jahren geführt habe:

Nachdenkliche Gedanken einer fast 100-jährigen, die vom Judentum zum Christentum konvertierte und das Konzentrationslager Theresienstadt überlebte. Doch auch nach 1945 wurde ihr das Leben nicht leicht gemacht.

Anna O. habe ich im Mai 1996 in Gelsenkirchen getroffen. Seit meiner frühen Kindheit kenne ich sie und ihren inzwischen verstorbenen Mann.

Viele Jahre lebt sie im Ruhrgebiet, hat sie hier ein Zuhause gefunden – aber keine „Heimat“ im umfassenderen Sinn. Seit ihrer heiratsbedingten Konversion vom Judentum zum Katholizismus ist sie auf einer ständigen Gratwanderung. Zwischen Anpassung und Verleugnung einerseits, zwischen Ausgrenzung und Unverständnis andererseits. So jedenfalls erlebe ich ihre Situation. Und sie bestätigt mir das. „Heute weiß ich mehr vom Judentum als früher. Ich hatte ja gar keine Wurzeln darin. Das ist sehr schwierig.“ Und sie beklagt: „Mit wem hätte ich denn auch darüber sprechen sollen?“ Auch ich wusste lange nichts von ihrer jüdischen Herkunft. Zum ersten Mal überhaupt hat sie sich bei unserem Gespräch im Mai 1996 mir gegenüber zu ihrer Lebensgeschichte geäußert. Und so wie ihr geht es vielen Überlebenden des Holocaust, die sich selbst noch schuldig daran fühlen, überlebt zu haben.

Einer Veröffentlichung dieses Gespräches zu ihren Lebzeiten, die ursprünglich im Zusammenhang mit einer Tagung mit den Problemen und Schwierigkeiten der sogenannten „Judenchristen“ geplant war, stimmte Anna O. nach der Autorisierung des nachfolgenden Textes nicht mehr zu. Ihre Sorge ist allzu verständlich: „Vielleicht kommt noch einer auf die ldee: Die haben wir vergessen zu holen.“ …

 

Das ganze Interview findet sich hier: https://wernerkrebber.wordpress.com/2016/12/16/anna-o-die-wollten-gar-nicht-dass-wir-da-ankamen/