Betrachte alles naturgemäße Reden und Tun als deiner würdig. Lass dich also durch keine darauf folgenden Vorwürfe oder das Gerede anderer beeinflussen, vielmehr, wenn etwas gut ist zu tun oder zu sagen, so halte es deiner nicht für unwürdig. Jene haben eben ihren eigenen Sinn und folgen ihrer eigenen Neigung. Danach schaue dich nicht um, sondern gehe den geraden Weg und folge deiner eigenen und der gemeinsamen Natur. Beide haben nur einen Weg.
Mark Aurel (121 – 180) in: Selbstbetrachtungen. Fünftes Buch, Nr. 3
Unser Leben ist endlich; das Wissen ist unendlich. Mit dem Endlichen etwas Unendlichem nachzugehen, ist gefährlich. Darum bringt man sich nur in Gefahr, wenn man sein Selbst einsetzt, um die Erkenntnis zu erreichen. Dem Gutestun folgt der Ruhm nicht auf dem Fuße nach; dem Übeltun folgt die Strafe nicht auf dem Fuße nach.
Wer es aber versteht, die Verfolgung der Hauptlebensader zu seiner Grundrichtung zu machen, der ist imstande, seinen Leib zu schützen, sein Leben völlig zu machen, den Nächsten Gutes zu tun und seiner Jahre Zahl zu vollenden.
Dschuang Dsï: Das wahre Buch vom südlichen Blütenland. Kreuzlingen / München, 2002, S. 53-54
Sei dir erst deiner selbst im Innern bewusst, dann denke und handle. Alles lebendige Denken ist eine Welt in Vorbereitung; alles wirkliche Tun ist ein offenbarter Gedanke. Die stoffliche Welt besteht, weil eine Idee in göttlicher Selbstbewusstheit zu spielen begann.
… Ich habe gesagt, dass Nhat Hanh mein Bruder ist, und das stimmt auch. Wir sind beide Mönche, und wir leben seit etwa der gleichen Anzahl von Jahren im klösterlichen Leben. Wir sind beide Dichter, beide Existentialisten. Ich habe mit Nhat Hanh weit mehr gemeinsam als mit vielen Amerikanern, und ich zögere nicht, das zu sagen. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass solche Gemeinsamkeiten anerkannt werden. Es sind die Bande einer neuen Solidarität und einer neuen Brüderlichkeit, die sich auf allen fünf Kontinenten abzuzeichnen beginnen und die alle politischen, religiösen und kulturellen Grenzen überschreiten, um junge Männer und Frauen in jedem Land in etwas zu vereinen, das konkreter ist als ein Ideal und lebendiger als ein Programm. Diese Einheit der Jugend ist die einzige Hoffnung für die Welt. In ihrem Namen appelliere ich für Nhat Hanh. Tun Sie, was Sie können, für ihn. Wenn ich Ihnen etwas bedeute, dann lassen Sie es mich so sagen: Tun Sie für Nhat Hanh das, was Sie für mich tun würden, wenn ich in seiner Lage wäre. In vielerlei Hinsicht wünschte ich, ich wäre es.
Zuerst veröffentlicht im Magazin „Jubilee“ 1966, später in Mertons Buch „Faith and Violence“ 1968
Ich würde vor Aufregung wahrscheinlich Die ersten Nächte schlaflos verbringen Und darauf tagelang ängstlich und kleinlich Ganz dumme, selbstsüchtige Pläne schwingen.
Dann – hoffentlich – aber laut lachen Und endlich den lieben Gott abends leise Bitten, doch wieder nach seiner Weise Das neue Jahr göttlich selber zu machen.
Joachim Ringelnatz (1883-1934) in dem 1928 im Berliner Ernst Rowohlt-Verlag erschienenen Gedichtband „Allerdings“
„Ich möchte, dass man hier die Zeit hören und spüren kann. Die Menschen können viel tun, aber sie können nicht gegen die Zeit kämpfen. Gott ist der Herr der Zeit.“ ~ Christian Boltanski (1944 – 2021)
Christian Boltanskis Installation „Vanitas“ besteht aus zwei Teilen, einem visuellen und einem akustischen. An einer Wand im Raum der Chorkrypta (1181 – 1200) des spätromanischen Salzburger Doms hat er zwölf skizzenhafte, feingliedrige Figuren aus Metallblech befestigt, die von Kerzen angeleuchtet werden. Im flackernden Licht werfen sie Schatten an die Wand, während in der Apsis die Projektion eines schattenhaften Todesengels langsam Kreise zieht. Dazu ertönt beständig wiederholt die automatische Zeitansage.
Das Schattenspiel des Künstlers ist ein moderner „Totentanz“ während dessen Betrachtung hörbar die Zeit verrinnt.
Du sollst nicht zu sein begehren, was du nicht bist, sondern nur einfach etwas von deiner Pflicht zu tun versuchen, Tag um Tag. Denn es ist viel schwerer, einen Tag in wahrhafter Aufmerksamkeit und Wachsamkeit von Anfang bis Ende zu verleben, als ein Jahr in großen Absichten und hochfliegenden Plänen.
Wenn ich in mir das Denken und die Frömmigkeit der östlichen und westlichen Christenheit, der griechischen und lateinischen Väter, der Russen mit den spanischen Mystikern vereinige, kann ich in mir die Wiedervereinigung der getrennten Christen vorbereiten. Von dieser geheimen und unausgesprochenen Einheit in mir selbst kann schließlich eine sichtbare und manifeste Einheit aller Christen entstehen. Wenn wir zusammenbringen wollen was geteilt ist, können wir dies nicht tun, indem wir eine Spaltung über die andere stülpen oder die eine Spaltung in die anderen. Wenn wir das aber tun, ist die Vereinigung nicht christlich. Sie ist politisch, und zu weiteren Konflikten verdammt. Wir müssen alle geteilten Welten in uns enthalten und sie in Christus transzendieren.
Thomas Merton (1915 – 1968) in „Conjectures of a Guilty Bystander“