Jeder Vogel weiß, wo er sein Nest bauen soll. Und wenn er weiß, wie und wo er sein Nest bauen soll, heißt das, dass er den Sinn seines Lebens kennt. Weshalb kennt dann der Mensch, die klügste unter allen Kreaturen, nicht das, was jeder Vogel kennt, nämlich den Sinn seines Lebens?
Unsere Menschlichkeit ist völlig vergessen. Und gewinnen wird nicht, wer gerecht ist, sondern wer mehr Treibstoff, mehr List, mehr Waffen, mehr Strategie, mehr Geld hat. In diesem Sinne bezweifle ich, dass es heute gerechte Kriege geben kann.
Raimon Panikkar (1918 – 2010) in: Das Abenteuer Wirklichkeit. Gespräche über die geistige Transformation München 2000, S. 78
Gedenktafel am Erfurter Predigerkloster für Meister Eckhart (1260 – 1328) / Foto: (c) wak
Es ist das unvermeidbare Schicksal der Mystik und ihrer Heiligen, zwischen Aufschwung und Absturz, zwischen religiöser Klassizität und kirchlicher Verdammung wie auf Messers Schneide hingehen zu müssen. Das tragische Schicksal des Meisters selbst liegt in diesem Sachverhalt beschlossen. Der in Gott ruhende Meister Eckehart ist aber auch im geistesgeschichtlichen Sinn kein Gewesener. Er ist vielmehr mit der ganzen Wucht seiner Gotteskindschafts-Verkündigung ein kaum erst geahnter Künftiger, ein geistig erst Kommender.
Dieser allgegenwärtig in Gott ruhende Meister Eckehart hat bei Lebzeiten seine Gegner in heiliger Einfalt nicht „erkannt“. Er spricht auch heute noch zu ihnen mit jedem seiner kämpferischen Worte:
„Die ihr euch an mir wie auch immer ärgert, ihr kennt euch selbst nicht, ihr kennt mich nicht. Denn: ihr kommt im Umkreis wahren Gotterlebens gar nicht vor.“
Friedrich Alfred Schmid Noerr in seiner Einleitung zu Meister Eckehart: Vom Wunder der Seele. Eine Auswahl aus den Traktaten und Predigten. Stuttgart 1963, S. 10-11
Das Schönste und Tiefste, was der Mensch erleben kann, ist das Gefühl des Geheimnisvollen. Es liegt der Religion sowie allem tieferen Streben in Kunst und Wissenschaft zugrunde. Wer dies nicht erlebt hat, erscheint mir, wenn nicht wie ein Toter, so doch wie ein Blinder. Zu empfinden, dass hinter dem Erlebbaren ein für unseren Geist Unerreichbares verborgen sei, dessen Schönheit und Erhabenheit uns nur mittelbar und in schwachem Widerschein erreicht, das ist Religiosität. In diesem Sinne bin ich religiös. Es ist mir genug, diese Geheimnisse staunend zu ahnen und zu versuchen, von der erhabenen Struktur des Seienden in Demut ein mattes Abbild geistig zu erfassen.“
Der Mensch ist nicht nur natürliches Wesen, sondern auch übernatürliches Wesen, ein Wesen göttlicher Herkunft und göttlicher Bestimmung, ein Wesen, welches zwar in dieser Welt lebt, aber nicht von dieser Welt ist.
Nikolai A. Berdjajew (1874 – 1948) in: Der Sinn des Schaffens, 1925
Weltweisheit ist ein Wort, hat weder Sinn noch Kraft; Der Weisheit höchster Hort ist Gotteswissenschaft. Weltweisheit aber soll, damit sie Sinn erhält, Die Weisheit Gottes nur im Spiegel schaun der Welt.
Friedrich Rückert (1788 – 1866) in: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 4. Leipzig, 1838., S 236
Einstmals war der Sinn des Lebens, sich auf den Tod vorzubereiten. Heute ist der Sinn des Lebens, Geschwätzwettbewerbe zu veranstalten, gigantische Krachmaschinen, Heulmaschinen, Geschwätzverstärkungsmaschinen Tag und Nacht in Betrieb zu erhalten.
Hans / Jean Arp (1886 – 1966) in „Unsern täglichen Traum …:Erinnerungen, Dichtungen und Betrachtungen aus den Jahren 1914 bis 1954“
Die höchste Aufgabe der Bildung ist, sich seines transcendentalen Selbst zu bemächtigen, das Ich seines Ich’s zugleich zu seyn. Um so weniger befremdlich ist der Mangel an vollständigem Sinn und Verstand für Andre. Ohne vollendetes Selbstverständniß wird man nie andere wahrhaft verstehn lernen.