Die Aktualität einer ungehaltenen Rede

Lev Tolstoy in Yasnaya Polyana, 1908 / Sergei Michailowitsch Prokudin-Gorski – Detail

… Es ist sehr wohl möglich, dass das Christentum seine Zeit überlebt hat und dass die modernen Menschen, wenn sie vor die Wahl gestellt werden, sich für das Christentum und die Liebe oder für den Staat und den Mord zu entscheiden, finden werden, das Bestehen des Staates sei dermaßen wichtiger als das Christentum, dass man das Christentum vergessen und nur am Wichtigeren festhalten müsse: am Staat und am Mord.

Alles das mag schon sein, – wenigstens können die Menschen so denken und fühlen. Dann aber muss man es auch so sagen. Man muss sagen, die Menschen unserer Zeit müssten aufhören zu glauben, was die gemeinsame Weisheit der ganzen Menschheit sagt, was das Gesetz, zu dem sie sich bekennen, verkündigt, sie müssten aufhören zu glauben, was mit unvertilgbaren Zügen in das Herz eines jeden gegraben ist, und müssten statt dessen an das glauben, was ihnen – den Mord inbegriffen – die und jene Menschen befehlen, Kaiser und Könige, die durch Zufall oder Erblichkeit zu ihrer Stellung gekommen sind, oder Präsidenten, Reichstagsabgeordnete und Deputierte, die mit Hilfe von allerlei Schlichen gewählt worden sind. Das also muss man dann sagen. …

Anmerkung: Wir erlauben uns, hiemit die Rede abzudrucken, die Tolstoi auf dem Internationalen Friedenskongress zu Stockholm im Jahre 1909 gehalten – hätte, wenn nämlich dieser nicht, höchst wahrscheinlich aus Angst vor dieser Rede, im letzten Augenblick „abbestellt“ worden wäre! (Gustav) Landauer hat sie seinerzeit in seinem Blatte „Der Sozialist“ gebracht.

Dieser Auszug aus der Rede erschien hier: Neue Wege : Beiträge zu Religion und Sozialismus, Band 23, 1929, Heft 5

https://www.e-periodica.ch/cntmng?pid=new-001:1929:23::725

Sich in Bewegung setzen

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Der beste Weg, die Menschheit zum Fortschritt zu bewegen, ist der, daß man sich selbst in Bewegung setzt. Das mag egoistisch oder individualistisch klingen, ist es aber nicht. Es ist nur gesunder Menschenverstand.

Aurobindo (1864 – 1950)

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Wundertief begonnenes Geisteswerk

Alles ernsthaft Angefangene muß die Menschheit auch entschlossen weiter treiben und weiter entwickeln. Täte sie’s nicht, so wäre sie ebenso unreif und leichtfertig wie die Individualität, die anfängt und liegen läßt, statt, wenn auch vielleicht erst in vielen Lebensläufen, allem in sich eine Folge und Ausbildung zu geben.
Einziglich schon von diesem Gesichtspunkt aus sollte man die Mystik z.B. nicht so verdrossen ablehnen, als ob es ein Verdienst wäre, ein so wundertief begonnenes Geisteswerk in die Rumpelkammer zu verweisen und nicht vielmehr sich dessen Weiterausbau anzunehmen, zum mindesten dankbar gewärtig zu sein.

Christian Morgenstern / 1913

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Die Menschheit mit dem Kosmos einen

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Meinungen, Voreingenommenheiten, Theorien, Systeme, an die man glaubt, sind Hindernisse, die die Eingebung unterbinden. Diese allein ermöglicht das intuitive Erfassen aller unsichtbaren Beziehungen, die jede Handlung, jeden Gedanken, jedes Wort miteinander verweben.

Man erfasst, dass jedes Atom mitwirkt an der Fortpflanzung einer Bewegung, die die Menschheit mit dem Kosmos eint.

Frédéric Lionel (1908 – 1999)

Luise Rinser: Zeiten-Ende

Zeiten-Ende. „Heinrich von Ofterdingen“ (Novalis). Zum wievielten Mal lese ich das Buch jetzt, und jedesmal fin­de ich Neues, das mich angeht, mich und meine Zeit.

Eben finde ich in einem sonderbaren Buch, das mir ein unbekannter Leser einmal zugeschickt hat, eine Stelle, die dazu paßt:

„Nicht vor dem Untergang des Abendlandes ist die Menschheit angelangt, wie manche wähnen, sondern sein späterer höchster Aufstieg erfordert die Opfer, die der wah­re Mensch des Abendlandes heute zu beklagen hat . . . Hier ist Geduld und Glaube der Heiligen vonnöten.“

Wer das schreibt, der nennt sich Bô Yin Râ, aber er ist ein Deutscher, Joseph Anton Schneiderfranken. Das Buch ist 1922 in Basel erschienen.

Zeiten-Ende. Tagebuchzitat von Luise Rinser. Das vollständige Zitat ist zu lesen in der aktuellen-Sommer-Ausgabe der „Magischen Blätter“.

MAGISCHE BLÄTTER, BUCH X
CIII. Jahrgang, Mai 2022, Heft 5 / Thema: VON JACOB BÖHME ÜBER DIE ROMANTIK ZUM BÖHME-BUND

Bestellt werden kann die Ausgabe hier: kontakt@verlagmagischeblaetter.eu Mehr hier: https://verlagmagischeblaetter.eu/monatsschrift-magische-bl%C3%A4tter

Wir brauchen menschliche Werte

Wir befinden uns in einem Interregnum zwischen alten Wertesystemen, die nicht funktioniert haben, und neuen, die noch nicht geboren wurden, eine leere Zeit, die man besser aushalten könnte, wenn sie nicht eine so große und einzigartige Gefahr für die Menschheit darstellen würde.
Wir sind konfrontiert mit der wirklichen Möglichkeit der Auslöschung der Menschheit und mit der Gewissheit von „kleinen“ Kriegen, Rassenhass und weitverbreiteter Ausbeutung. Geschwisterlichkeit liegt in der Zukunft.

Die Kur für diese Krankheit ist offensichtlich. Wir brauchen ein brauchbares System menschlicher Werte, dessen wir gewiss sind, Werte, an die wir glauben können.

Abraham H. Maslow (1908 – 1970) in: Jeder Mensch ist ein Mystiker. Mit einer Einführung von David Steindl-Rast, Köln / Kassel / Wuppertal 2014, S. 138

Mehr hier: http://www.gestalt.de/maslow_mystiker.html#inhalt

Zum Besten ihrer Mitmenschen…

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Die Geschichte der Menschheit ist voll von Verbrechen, die von ehrgeizigen Idealisten begangen wurden, die sich von ihren eigenen Sprüchen und Machtgelüsten zu der Überzeugung hatten hinreissen lassen, sie handelten zum Besten ihrer Mitmenschen.

Aldous Huxley (1894 – 1963) in „Die ewige Philosophie – Philosophia Perennis“, Freiburg 2008, S. 308

Miteinander in unentrinnbarer Verstrickung

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Höllen sind es, in die wir geführt werden, wenn wir den Entgleisungen, den Verrenkungen und Erkrankungen des Gemeinschaftsgefühles nachgehen, -mögen die Höllenräume auch wohletablierte Wohnstuben sein und die darin hausenden Teufel die Züge unserer lieben Nächsten, wohl gar unseres werten Ich tragen.

Die Menschheit, in der wir leben, ist nun einmal keine Lämmerherde, sondern ein Atomgewirr von Individuen, deren jedes voller Kräfte und Begierden steckt. Wer Gemeinschaftsgeist erzeugen will, muss vor allem erst einmal erfassen, in welcher Verstrickung wir Menschen insgesamt miteinander leben, in welcher unentrinnbaren Verstrickung.

Schulze-Maizier, Friedrich ( 1888 – 1971 / hier 1926) in: Individualpsychologie und Religion. In: Wexberg E. (eds) Handbuch der Individualpsychologie. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-50692-5_25