Die befreiende Wirkung des echten Kunstwerkes ruht darin, dass es in uns die Erinnerung weckt, die in den dunkelsten Tiefen unserer Seele schläft; es ist die Erinnerung daran, dass wir selber an den tiefsten Geheimnissen des Lebens teilhaben, dass diese ein unverlierbarer Wert sind, der sich, wie jeder echte Wert, weder erklären noch messen lässt. Und da er nicht messbar ist, würden wir seiner kaum mehr gewahr, riefe nicht das Kunstwerk uns diesen Wert nicht in Erinnerung.
Die Zeit zum Handeln jedesmal verpassen Nennt ihr: die Dinge sich entwickeln lassen. Was hat sich denn entwickelt, sagt mir an, Das man zur rechten Stunde nicht getan?
Alles ernsthaft Angefangene muß die Menschheit auch entschlossen weiter treiben und weiter entwickeln. Täte sie’s nicht, so wäre sie ebenso unreif und leichtfertig wie die Individualität, die anfängt und liegen läßt, statt, wenn auch vielleicht erst in vielen Lebensläufen, allem in sich eine Folge und Ausbildung zu geben. Einziglich schon von diesem Gesichtspunkt aus sollte man die Mystik z.B. nicht so verdrossen ablehnen, als ob es ein Verdienst wäre, ein so wundertief begonnenes Geisteswerk in die Rumpelkammer zu verweisen und nicht vielmehr sich dessen Weiterausbau anzunehmen, zum mindesten dankbar gewärtig zu sein.
Man hat den aufrichtigen Wunsch, das Lebensgebiet der bildenden Kunst sich erschließen zu lassen, aber man weiß noch nicht, daß man es sich nur selber erschließen kann.
Bô Yin Râ / Josef Anton Schneiderfranken (1876 – 1943 ) in: „Das Reich der Kunst“, Basel 1933
Die Seele weiß alles. Nichts Neues kann sie überraschen. Nichts ist größer als sie. Laß andere furchtsam sein, die Seele aber fürchtet nichts. Sie lebt ihren eigenen Gesetzen zufolge. Sie ist größer als der Raum und älter als die Zeit. Sie verleiht Mut in allen Wechselfällen des Lebens.
Die Wirren unsrer Zeit, die Naturkatastrophen, die Angst, die Weltuntergangsstimmung, das alles ist nichts als die Geburtswehen des „Gottesreiches“. Wir dürfen diesen Punkt Omega niemals aus den Augen lassen, niemals, sonst stehen wir diese „Endzeit“ nicht durch. Und wenn nun wirklich unsere Erde zerstört wurde durch „das Feuer vom Himmel“, wie die Apokalypse sagt? Nun, was wird da zerstört? Nur die Materie. Nur das Biologische unserer Existenz. Das Eigentliche, der Geist, unser göttliches Teil, das bleibt.
Zeiten-Ende. Tagebuchzitat (1979-1982) von Luise Rinser in Anlehnung an Teilhard de Chardin
Ausführlicher ist dieses Rinser-Zitat hier nachzulesen:
MAGISCHE BLÄTTER, BUCH X CIII. Jahrgang, Mai 2022, Heft 5 / Thema: VON JACOB BÖHME ÜBER DIE ROMANTIK ZUM BÖHME-BUND
Dieses Geheimnis duldet keine Kompromisse! Es verträgt keine Retusche! Ich kann es nur aus seiner letzten Transzendenz verstehen und verkünden! Aber aus seiner Fülle kann ich an alle sprechen! Funkspruch an alle Welt! Im Stalle von Bethlehem ist Platz für alle. Deren Auge sucht! Deren Herz hämmert! Deren Geist aufklingt! Die „guten Willens“ sind! Denen der Egoismus, die Brutalität, die Gemeinheit nicht Letztes ist. Bei Dostojewski bricht die Wirtshausszene in die Einladung des Erlösers aus: „Kommet alle zu mir“! Platz für alle! An der Krippe des „Kyrios“! So sollen die Geistigen der Erde, wohin sie an Konfession, wohin sie an Partei, wohin sie an Lebensstil sich stellen mögen, in die „Arbeitsgemeinschaft“ des Nazareners treten! Sie sollen hier vor Anker gehen! Über diesen Leuchtturm ragt kein anderer lichtgewaltig! Kein Strom riß je in die Geschichte tieferes Bett! Keine Symphonie ließ je, wie diese, die Sphären erbeben! Wie immer die Menschen, die heutigen, die zukünftigen, die Offenbarung zum Problem gestaltend, vor Weihnachten stehen mögen, sie sollen ganz in die Nähe, ganz in den Radius, ganz in die Dynamik des Tages treten!
Carl Sonnenschein (1876 – 1929) in „Notizen“, Band 8, S. 73 ff. vom 25. Dezember 1927
Zitiert habe ich diese Passage in meinem Buch „Den Menschen Recht verschaffen. Carl Sonnenschein – Person und Werk“. EchterVerlag, Würzburg 1996, S. 110
Mit diesen Gedanken wünsche ich allen Leserinnen und Lesern meines Blogs gute Weihnachtstage.
Meine Seele ist ein verborgenes Orchester; ich weiß nicht, welche Instrumente, Geigen und Harfen, Pauken und Trommeln, es in mir spielen und dröhnen lässt.ich, Ich kenne mich nur als Symphonie.
Fernando Pessoa (1888 – 1935) in seinem „Buch der Unruhe des Hilfsbuchhalters Bernardo Soares“