Meister Eckhart: Mystiker auf Messers Schneide

Gedenktafel am Erfurter Predigerkloster für Meister Eckhart (1260 – 1328) / Foto: (c) wak

Es ist das unvermeidbare Schicksal der Mystik und ihrer Heiligen, zwischen Aufschwung und Absturz, zwischen religiöser Klassizität und kirchlicher Verdammung wie auf Messers Schneide hingehen zu müssen. Das tragische Schicksal des Meisters selbst liegt in diesem Sachverhalt beschlossen. Der in Gott ruhende Meister Eckehart ist aber auch im geistesgeschichtlichen Sinn kein Gewesener. Er ist vielmehr mit der ganzen Wucht seiner Gotteskindschafts-Verkündigung ein kaum erst geahnter Künftiger, ein geistig erst Kommender.

Dieser allgegenwärtig in Gott ruhende Meister Eckehart hat bei Lebzeiten seine Gegner in heiliger Einfalt nicht „erkannt“. Er spricht auch heute noch zu ihnen mit jedem seiner kämpferischen Worte:

„Die ihr euch an mir wie auch immer ärgert, ihr kennt euch selbst nicht, ihr kennt mich nicht. Denn: ihr kommt im Umkreis wahren Gotterlebens gar nicht vor.“

Friedrich Alfred Schmid Noerr in seiner Einleitung zu Meister Eckehart: Vom Wunder der Seele. Eine Auswahl aus den Traktaten und Predigten. Stuttgart 1963, S. 10-11

Das Auge der Seele öffnen

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Wie das leibliche Auge, so kann auch das Sehvermögen der Seele sehr umwölkt und trüb sein, und sie kann durch falsche Erscheinungen getäuscht werden. Das Vergnügen zum Beispiel wird ständig für ein Gut gehalten, obwohl es nicht wirklich gut ist.
Aber wenn das Auge der Seele rein und klar sieht, dann gibt es keinen Einspruch gegen seine Urteile. Auf dem Gebiet der Menschenführung besteht die Erziehung … nicht im Lehren; sie besteht darin, dass das Auge der Seele geöffnet und ihr Sehvermögen gereinigt wird von den verzerrenden Nebeln ihrer Voreingenommenheit und der Eingebildetheit auf ihr Wissen, das in Wirklichkeit nur eine von anderen übernommene Meinung ist.

Sokrates (469 – 399 v.u.Z.)

Thomas Merton (1915 – 1968) weist in einer Anmerkung auf den Gedanken von Sokrates in seinem Buch „Weisheit der Stille. Die Geistigkeit des Zen und ihre Bedeutung für die moderne christliche Welt“ hin. Bern / München / Wien 1975, S. 235 – 236

Merton bezieht sich auf das Buch von Francis Macdonald Cornford, Before and After Socrates (1932)
http://www.ditext.com/cornford/socrates.html

Kein denkbares Übel

Foto: (c) wak

… Es gibt kein denkbares Übel,
bei dem die Götter
nicht vorgesorgt hätten,
dass der Mensch die Macht habe,
sich davor zu hüten. …

Marc Aurel (121 – 180), Selbstbetrachtungen, Zweites Buch, 11

Glaube, Hoffnung, Liebe und Erkenntnis

Man kann sich schlechterdings kein System und keine Wahrheit ausdenken, welche das gäben, was der Kranke zum Leben braucht, nämlich Glaube, Hoffnung, Liebe und Erkenntnis.
Diese vier höchsten Errungenschaften menschlichen Strebens sind ebensoviele Gnaden, die man weder lehren noch lernen, weder geben noch nehmen, weder vorenthalten noch verdienen kann, denn sie sind an eine, menschlicher Willkür entzogene, irrationale Bedingung geknüpft, nämlich an das Erlebnis. Erlebnisse aber können nie „gemacht“ werden. Sie geschehen, aber nicht absolut, sondern glücklicherweise relativ. Man kann sich ihnen nähern.

C. G. Jung: Die Beziehungen der Psychotherapie zur Seelsorge. Zürich, Leipzig, Stuttgart, 1932, S. 8-9

 

Müßige Klagen um die Vergangenheit und bange Sorgen um die Zukunft

Indischer Lotos | Foto: © wak

Wir leben im Elend, weil wir Geschöpfe des Ichs sind, des Ichs, das hart und engherzig ist, das kein Licht zurückstrahlt, das für das Unendliche blind ist. Unser Ich hat nur seine eigenen lauten, schrillen Töne, seine Saiten erzittern nie von der Musik des Ewigen. Seufzer der Unzufriedenheit und Mutlosigkeit, müßige Klagen um die Vergangenheit und bange Sorgen um die Zukunft beunruhigen unsre seichten Herzen, weil wir unsre Seelen nicht gefunden haben und der göttliche Geist sich noch nicht in uns offenbart hat.

Rabindranath Tagore (1861-1941) in: Sadhana. Der Weg der Vollendung. München 1921

Magische Wirkungen

Auch heute trägt die Erde keinen Menschen,
der nicht mit all seinem Denken, Reden oder Tun
tagtäglich und Stunde für Stunde
magische Wirkungen in seinem eigenen Leben
und dem seiner Umwelt zur Auslösung bringen würde.

Bô Yin Râ / Joseph Anton Schneiderfranken (1876 -1943)

https://verlagmagischeblaetter.eu/monatsschrift/magische-blaetter

Müsset im Naturbetrachten Immer eins wie alles achten

Foto: © wak

 

Müsset im Naturbetrachten
Immer eins wie alles achten.
Nichts ist drinnen, nichts ist draußen;
Denn was innen, das ist außen.
So ergreifet ohne Säumnis
Heilig öffentlich Geheimnis!

Freuet euch des wahren Scheins,
Euch des ernsten Spieles!
Kein Lebend’ges ist ein Eins,
Immer ist’s ein Vieles.

Johann Wolfgang von Goethe (1749 – 1832)