Dass alle Verhältnisse sich gut gestalten,
ist nicht möglich,
wenn nicht die Menschen
alle gut sind.
Und das, meine ich,
wird noch eine gar hübsche Weile
auf sich warten lassen.
Thomas Morus (1478 – 1535) in „Utopia“ – Erstes Buch
Werner A. Krebber | Gelsenkirchen
Foto- und Text-Blogger | Säkularer Seelsorger | Zuhörer – ein privater Blog
Achte gut auf diesen Tag,
Denn er ist das Leben –
das Leben allen Lebens.
In seinem kurzen Ablauf
liegt alle Wirklichkeit des Daseins:
Die Wonne des Wachsens,
Die Größe der Tat,
Die Herrlichkeit der Kraft.
Denn das Gestern ist nichts als ein Traum
Und das Morgen nur eine Illusion –
Das Heute jedoch, recht gelebt
macht jedes Gestern
zu einem Traum voller Glücks
Und jedes Morgen
Zu einer Vision voller Hoffnung.
Darum gib acht auf diesen Tag.
Autor:
Unbekannter Verfasser; in Sanskrit geschrieben um ca. 1200 v.u.Z.
Zugeschrieben:
Kalidasa (5. Jahrhundert); indischer Dramatiker, Epiker und Dichter
Dschalal ad-Din Muhammad Rumi beziehungsweise Mevlana wird dieser Text ebenfalls zugeschrieben. Rumi schrieb allerdings die meisten Texte in persischer Sprache, andere in Türkisch und Griechisch.
Geschichte und Quelle:
Der Hinweis auf die frühe Sanskrit-Version findet sich in „Masterpieces of Religious Verse“, das James Dalton Morrison 1948 herausgegeben hat auf S. 301. Er verweist auch auf die Zuschreibung für Kalidasa.
Betrachte alles naturgemäße Reden und Tun als deiner würdig. Lass dich also durch keine darauf folgenden Vorwürfe oder das Gerede anderer beeinflussen, vielmehr, wenn etwas gut ist zu tun oder zu sagen, so halte es deiner nicht für unwürdig. Jene haben eben ihren eigenen Sinn und folgen ihrer eigenen Neigung. Danach schaue dich nicht um, sondern gehe den geraden Weg und folge deiner eigenen und der gemeinsamen Natur. Beide haben nur einen Weg.
Mark Aurel (121 – 180) in: Selbstbetrachtungen. Fünftes Buch, Nr. 3
Novalis (1772 – 1801): Bergmannslied I
Der ist der Herr der Erde,
Wer ihre Tiefen mißt,
Und jeglicher Beschwerde
In ihrem Schooß vergißt.
Wer ihrer Felsenglieder
Geheimen Bau versteht,
Und unverdrossen nieder
Zu ihrer Werkstatt gellt.
Er ist mit ihr verbündet,
Und inniglich vertraut,
Und wird von ihr entzündet,
Als wär‘ sie seine Braut.
Er sieht ihr alle Tage
Mit neuer Liebe zu
Und scheut nicht Fleiß und Plage,
Sie läßt ihm keine Ruh.
Die mächtigen Geschichten
Der längst verfloßnen Zeit,
Ist sie ihm zu berichten
Mit Freundlichkeit bereit.
Der Vorwelt heilge Lüfte
Umwehn sein Angesicht,
Und in die Nacht der Klüfte
Strahlt ihm ein ewges Licht.
Er trift auf allen Wegen
Ein wohlbekanntes Land,
Und gern kommt sie entgegen
Den Werken seiner Hand.
Ihm folgen die Gewässer
Hülfreich den Berg hinauf;
Und alle Felsenschlösser,
Thun ihre Schätz‘ ihm auf.
Er führt des Goldes Ströme
In seines Königs Haus,
Und schmückt die Diademe
Mit edlen Steinen aus.
Zwar reicht er treu dem König
Den glückbegabten Arm,
Doch frägt er nach ihm wenig
Und bleibt mit Freuden arm.
Sie mögen sich erwürgen
Am Fuß um Gut und Geld;
Er bleibt auf den Gebirgen
Der frohe Herr der Welt.
Novalis / Friedrich von Hardenberg (1772 – 1801) in: Heinrich von Ofterdingen (1800-1801)
Erster Theil: Die Erwartung / Fünftes Kapitel.
https://www.hs-augsburg.de/~harsch/germanica/Chronologie/19Jh/Novalis/nov_ph15.html
Weigere dich, das Übel anzuerkennen,
verachte seine Macht, übersieh es,
richte deine Aufmerksamkeit auf etwas anderes!
Wenn dann auch die Tatsachen
trotzdem bestehen bleiben:
das Übel in ihnen besteht doch nicht mehr,
wenigstens für dich nicht.
Da sie also für dich
nur durch deine Vorstellung von ihnen
gut oder schlimm werden,
so muß die Leitung deiner Vorstellungen
deine Hauptaufgabe sein.
William James (1842-1910) in: Die religiöse Erfahrung in ihrer Mannigfaltigkeit. Leipzig 1907, S. 85
Wie das leibliche Auge, so kann auch das Sehvermögen der Seele sehr umwölkt und trüb sein, und sie kann durch falsche Erscheinungen getäuscht werden. Das Vergnügen zum Beispiel wird ständig für ein Gut gehalten, obwohl es nicht wirklich gut ist.
Aber wenn das Auge der Seele rein und klar sieht, dann gibt es keinen Einspruch gegen seine Urteile. Auf dem Gebiet der Menschenführung besteht die Erziehung … nicht im Lehren; sie besteht darin, dass das Auge der Seele geöffnet und ihr Sehvermögen gereinigt wird von den verzerrenden Nebeln ihrer Voreingenommenheit und der Eingebildetheit auf ihr Wissen, das in Wirklichkeit nur eine von anderen übernommene Meinung ist.
Sokrates (469 – 399 v.u.Z.)
Thomas Merton (1915 – 1968) weist in einer Anmerkung auf den Gedanken von Sokrates in seinem Buch „Weisheit der Stille. Die Geistigkeit des Zen und ihre Bedeutung für die moderne christliche Welt“ hin. Bern / München / Wien 1975, S. 235 – 236
Merton bezieht sich auf das Buch von Francis Macdonald Cornford, Before and After Socrates (1932)
http://www.ditext.com/cornford/socrates.html
Ein Krieg ist … immer etwas Gefährliches und bringt Schaden und Verheerung mit sich. Darum darf man ihn nicht leichtfertig unternehmen, sondern nur wie eine giftige Arznei als letzte Auskunft. Der gerechte Grund und ein klares, verständliches Kriegsziel muß durch einen erfahrenen Führer dem Volk deutlich gemacht werden. Nur wenn ein ganz bestimmtes Kriegsziel da ist, für das das Volk sich mit Bewußtsein einsetzen kann, entsteht die Einheitlichkeit und Stärke der Ueberzeugung, die zum Sieg führt. Aber der Führer muß auch dafür sorgen, daß in der Kriegsleidenschaft und im Siegestaumel nichts Ungerechtes geschieht, das die allgemeine Anerkennung nicht findet. Gerechtigkeit und Beharrlichkeit sind die Grundbedingungen dafür, daß alles gut geht
Richard Wilhelm in seiner Übersetzung des „I Ging“, Peking 1923, S. 23