Tor zum letzten Geheimnis

Cover des Buches / Insel-Bücherei Nr. 253 / Detail

Die Bahn der Bahnen ist nicht die Alltagsbahn;
Der Name der Namen ist nicht der Alltagsname.
Unnambarkeit ist Wesen des Allüberall;
Nambarkeit ist Werden des Einzelnen.
Jedoch: klar siehet, wer von ferne sieht,
und nebelhaft, wer Anteil nimmt.
Diese Grundwesenheit, zwiefältig, ist Eins
in der Erscheinung nur, zwiefacher Gegensatz.
Sie ist das Unergründliche,
das unergründliche Gründliche,
das Tor zum letzten Geheimnis.

Die Bahn und der rechte Weg des Lao-Tse
Der chinesischen Urschrift nachgedacht von Alexander Ular (1876 – 1919)

Kehre ein zu dir selbst und sieh dich an

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Kehre ein zu dir selbst und sieh dich an. Und wenn du siehst, dass du noch nicht schön bist, so mache es wie der Bildhauer, der von einer Statue, die schön werden soll, hier etwas fortmeißelt, dort etwas glättet und da etwas reinigt, bis er der Statue ein schönes Gesicht gegeben hat. So mach’ du es auch: Nimm weg, was unnütz, richte gerade, was krumm ist, reinige, was dunkel ist und mache es hell. Lass nicht ab, an deiner eigenen Statue zu wirken, bis dir der göttliche Glanz der Tugend aufleuchtet und du sie auf ihrem heiligen Sockel stehend erblickst. Und wenn du soweit gekommen bist, dann hemmt dich nichts mehr, dann bist du ganz du selbst und ganz und gar reines, wahres Licht. Du bist eins mit dem Schauen, gewinnst Zutrauen zu dir, bist so hoch gestiegen, dass du keine Weisung mehr brauchst.

Plotin (204 – 270) in den „Enneaden“

Mehr spirituelle Impulse täglich hier: https://mystikaktuell.wordpress.com/

… endlich alles nur Eins

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… „Wir wissen gar nicht“, fuhr Goethe fort, „was wir Luthern und der Reformation im allgemeinen alles zu danken haben. Wir sind frei geworden von den Fesseln geistiger Borniertheit, wir sind infolge unserer fortwachsenden Kultur fähig geworden, zur Quelle zurückzukehren und das Christentum in seiner Reinheit zu fassen. Wir haben wieder den Mut, mit festen Füßen auf Gottes Erde zu stehen und uns in unserer gottbegabten Menschennatur zu fühlen. Mag die geistige Kultur nun immer fortschreiten, mögen die Naturwissenschaften in immer breiterer Ausdehnung und Tiefe wachsen, und der menschliche Geist sich erweitern, wie er will, – über die Hoheit und sittliche Kultur des Christentums, wie es in den Evangelien schimmert und leuchtet, wird er nicht hinauskommen!

Je tüchtiger aber wir Protestanten in edler Entwickelung voranschreiten, desto schneller werden die Katholiken folgen. Sobald sie sich von der immer weiter um sich greifenden großen Aufklärung der Zeit ergriffen fühlen, müssen sie nach, sie mögen sich stellen, wie sie wollen, und es wird dahin kommen, daß endlich alles nur Eins ist.“

Johann Peter Eckermann: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Sonntag, den 11. März 1832

Ginkgo Biloba: Eins und doppelt

Ginkgo am Oberhausener Haus Ripshorst / Foto: (c) wak

Dieses Baums Blatt, der von Osten
Meinem Garten anvertraut,
Gibt geheimen Sinn zu kosten,
Wie’s den Wissenden erbaut.

Ist es ein lebendig Wesen,
Das sich in sich selbst getrennt?
Sind es zwei, die sich erlesen,
Daß man sie als eines kennt?

Solche Fragen zu erwidern
Fand ich wohl den rechten Sinn:
Fühlst Du nicht an meinen Liedern,
Daß ich eins und doppelt bin?

Johann Wolfgang von Goethe / 1815 (1749 – 1832)

Ein Weg mit Herz

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Ist es ein Weg mit Herz? – Wenn er es ist, ist der Weg gut. Wenn er es nicht ist, ist er nutzlos. Beide Wege führen nirgendwohin, aber einer ist der des Herzens und der andere ist es nicht. Auf einem ist die Reise voller Freude, und solange du ihm folgst, bist du eins mit ihm. Der andere wird dich dein Leben verfluchen lassen. Der eine macht dich stark, der andere schwächt dich.

Carlos Castaneda (1925 – 1998) in: Die Lehren des Don Juan

Im Anfang war der Mensch und seine Götter Eins

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Das erste Kind der menschlichen, der göttlichen Schönheit ist die Kunst. In ihr verjüngt und wiederholt der göttliche Mensch sich selbst. Er will sich selber fühlen, darum stellt er seine Schönheit gegenüber sich. So gab der Mensch sich seine Götter. Denn im Anfang war der Mensch und seine Götter Eins, da, sich selber unbekannt, die ewige Schönheit war. – Ich spreche Mysterien, aber sie sind. –

Der Schönheit zweite Tochter ist Religion. Religion ist Liebe der Schönheit. Der Weise liebt sie selbst, die Unendliche, die Allumfassende; das Volk liebt ihre Kinder, die Götter, die in mannigfaltigen Gestalten ihm erscheinen. Auch so wars bei den Athenern. Und ohne solche Liebe der Schönheit, ohne solche Religion ist jeder Staat ein dürr‘ Gerippe ohne Leben und Geist, und alles Denken und Tun ein Baum ohne Gipfel, eine Säule, wovon die Krone herabgeschlagen ist.

Friedrich Hölderlin (1770–1843) in: Hyperion oder der Eremit in Griechenland

Gefunden habe ich diesen Text von Hölderlin aktuell hier:

MAGISCHE BLÄTTER BUCH VI

CII. Jahrgang SOMMER 2021

Thema: Die erste Ausstellung des Jakob-Böhme-Bundes

Heft 5, Mai 2021

https://verlagmagischeblaetter.eu/monatsschrift/magische-blaetter

Bestellt werden können die Magischen Blätter hier: kontakt@verlagmagischeblaetter.eu

Müsset im Naturbetrachten Immer eins wie alles achten

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Müsset im Naturbetrachten
Immer eins wie alles achten.
Nichts ist drinnen, nichts ist draußen;
Denn was innen, das ist außen.
So ergreifet ohne Säumnis
Heilig öffentlich Geheimnis!

Freuet euch des wahren Scheins,
Euch des ernsten Spieles!
Kein Lebend’ges ist ein Eins,
Immer ist’s ein Vieles.

Johann Wolfgang von Goethe (1749 – 1832)