In der mystisch feuchten Nachtluft zu den Sternen aufgeblickt

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Als ich den gelehrten Astronomen hörte;
Als die Beweise, die Zahlen, in Spalten vor mir aufgereiht waren;
Als man mir die Karten und Diagramme zeigte,
um sie zu addieren, zu teilen und zu messen;
Als ich, sitzend, den Astronomen hörte,
wo er mit viel Beifall in dem Vortragssaal,
Wie bald, unerklärlich, wurde ich müde und krank;
Bis ich mich erhob und hinausglitt, um allein fortzugehen,
In der mystischen feuchten Nachtluft, und von Zeit zu Zeit,
In vollkommener Stille zu den Sternen hinaufblickte.

Walt Whitman (1819 – 1892)

Wir wissen nichts von diesem Hingehn…

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Wir wissen nichts von diesem Hingehn, das
nicht mit uns teilt. Wir haben keinen Grund,
Bewunderung und Liebe oder Hass
dem Tod zu zeigen, den ein Maskenmund

tragischer Klage wunderlich entstellt.
Noch ist die Welt voll Rollen, die wir spielen.
Solang wir sorgen, ob wir auch gefielen,
spielt auch der Tod, obwohl er nicht gefällt.

Doch als du gingst, da brach in diese Bühne
ein Streifen Wirklichkeit durch jenen Spalt
durch den du hingingst: Grün wirklicher Grüne,
wirklicher Sonnenschein, wirklicher Wald.

Wir spielen weiter. Bang und schwer Erlerntes
hersagend und Gebärden dann und wann
aufhebend; aber dein von uns entferntes,
aus unserm Stück entrücktes Dasein kann

uns manchmal überkommen, wie ein Wissen
von jener Wirklichkeit sich niedersenkend,
so dass wir eine Weile hingerissen
das Leben spielen, nicht an Beifall denkend.

Rainer Maria Rilke (1875 – 1926), 24.1.1907, Capri in: Neue Gedichte

Den Zweck seines Daseins kennen

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Wer nicht weiß, was die Welt ist,
der weiß auch nicht, wo er lebt.
Wer aber den Zweck seines Daseins nicht kennt,
der weiß weder,
wer er selbst, noch was die Welt ist.

Wem aber diese Kenntnis fehlt,
der kann auch seine eigene Bestimmung nicht angeben.
In welchem Lichte erscheint dir nun ein Mensch,
der die Lästerung derer fürchtet
oder um den lauten Beifall derer buhlt,
die nicht wissen, wo oder wer sie selbst sind?

Marc Aurel (121 – 180) in: Selbstbetrachtungen, Achtes Buch, 52

Weitere spirituelle Anregungen finden sich hier: https://mystikaktuell.wordpress.com/

Innige Berührung des Universums

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Die Kunst des ruhigen Beschauens, der schöpferischen Weltbetrachtung ist schwer, unaufhörliches ernstes Nachdenken und strenge Nüchternheit fordert die Ausführung, und die Belohnung wird kein Beifall der mühescheuenden Zeitgenossen, sondern nur eine Freude des Wissens und Wachens, eine innigere Berührung des Universums sein.

Novalis (Friedrich Freiherr von Hardenberg / 1772 – 1801) in: Die Lehrlinge zu Sais