Religion des Weltalls

Novalis / Bild: wikimedia ~ gemeinfrei

Licht ist Symbol der echten Besonnenheit. Also ist Licht der Analogie nach Aktion der Selbstrührung der Materie. Der Tag ist also das Bewußtsein des Wandelsterns, und während die Sonne, wie ein Gott, in ewiger Selbsttätigkeit die Mitte beseelt, tut ein Planet nach dem andern auf längere oder kürzere Zeit das eine Auge zu, und erquickt im kühlen Schlaf sich zu neuem Leben und Anschauen. Also auch hier Religion – denn ist das Leben der Planeten etwas anders, als Sonnendienst? Auch hier kommst du uns also entgegen, uralte kindliche Religion der Parsen, und wir finden in dir die Religion des Weltalls.

Fragmente II von Novalis / Friedrich von Hardenberg (1772 – 1801)

Weitere Fragmente können hier nachgelesen werden:

Magische Blätter. CIII. Jahrgang, Herbst 2022

Herausgeber: Verlag Magische Blätter, Ronnenberg
Schriftleitung: Organisation zur Umwandlung des Kinos

https://verlagmagischeblaetter.eu/publikationsreihe/monatsschrift-magische-bl%C3%A4tter

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Das Auge der Seele öffnen

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Wie das leibliche Auge, so kann auch das Sehvermögen der Seele sehr umwölkt und trüb sein, und sie kann durch falsche Erscheinungen getäuscht werden. Das Vergnügen zum Beispiel wird ständig für ein Gut gehalten, obwohl es nicht wirklich gut ist.
Aber wenn das Auge der Seele rein und klar sieht, dann gibt es keinen Einspruch gegen seine Urteile. Auf dem Gebiet der Menschenführung besteht die Erziehung … nicht im Lehren; sie besteht darin, dass das Auge der Seele geöffnet und ihr Sehvermögen gereinigt wird von den verzerrenden Nebeln ihrer Voreingenommenheit und der Eingebildetheit auf ihr Wissen, das in Wirklichkeit nur eine von anderen übernommene Meinung ist.

Sokrates (469 – 399 v.u.Z.)

Thomas Merton (1915 – 1968) weist in einer Anmerkung auf den Gedanken von Sokrates in seinem Buch „Weisheit der Stille. Die Geistigkeit des Zen und ihre Bedeutung für die moderne christliche Welt“ hin. Bern / München / Wien 1975, S. 235 – 236

Merton bezieht sich auf das Buch von Francis Macdonald Cornford, Before and After Socrates (1932)
http://www.ditext.com/cornford/socrates.html

Im Stalle von Bethlehem ist Platz für alle

Fotographik (c) wak

Dieses Geheimnis duldet keine Kompromisse! Es verträgt keine Retusche! Ich kann es nur aus seiner letzten Transzendenz verstehen und verkünden! Aber aus seiner Fülle kann ich an alle sprechen! Funkspruch an alle Welt! Im Stalle von Bethlehem ist Platz für alle. Deren Auge sucht! Deren Herz hämmert! Deren Geist aufklingt! Die „guten Willens“ sind! Denen der Egoismus, die Brutalität, die Gemeinheit nicht Letztes ist. Bei Dostojewski bricht die Wirtshausszene in die Einladung des  Erlösers aus: „Kommet alle zu mir“! Platz für alle! An der Krippe des „Kyrios“! So sollen die Geistigen der Erde, wohin sie an Konfession, wohin sie an Partei, wohin sie an Lebensstil sich stellen mögen, in die „Arbeitsgemeinschaft“ des Nazareners treten! Sie sollen hier vor Anker gehen! Über diesen Leuchtturm ragt kein anderer lichtgewaltig! Kein Strom riß je in die Geschichte tieferes Bett! Keine Symphonie ließ je, wie diese, die Sphären erbeben! Wie immer die Menschen, die heutigen, die zukünftigen, die Offenbarung zum Problem gestaltend, vor Weihnachten stehen mögen, sie sollen ganz in die Nähe, ganz in den Radius, ganz in die Dynamik des Tages treten!

Carl Sonnenschein (1876 – 1929) in „Notizen“, Band 8, S. 73 ff. vom 25. Dezember 1927

Zitiert habe ich diese Passage in meinem Buch „Den Menschen Recht verschaffen. Carl Sonnenschein – Person und Werk“. EchterVerlag, Würzburg 1996, S. 110

Mit diesen Gedanken wünsche ich allen Leserinnen und Lesern meines Blogs gute Weihnachtstage.

Werner A. Krebber

Von Dir zu Dir

Foto: (c) wak

Ich bin ein Springbrunnen, Du bist mein Wasser.
Ich fließe von Dir zu Dir.

Ich bin ein Auge, Du bist mein Licht.
Ich schaue von Dir zu Dir.

Du bist weder meine Rechte noch meine Linke.
Du bist mein Fuß und auch mein Arm.

Ich bin ein Reisender, Du bist mein Weg.
Ich gehe von Dir zu Dir.

Die osmanische Lyrikerin Zeynep Hatun (ca. 1420 – 1474)

Schau genau hin

Schau genau hin, unverwandt,
nur so bildest du dein Auge,
und auch noch Anderes.

Starre, sei neugierig,
höre zu und lausche.
Du willst es unbedingt verstehen,
jetzt.
Uns bleibt nicht viel Zeit.

Walker Evans, 1938

 

Zitat von Walker Evans in der Retrospektive „Tiefenschärfe“. Mehr dazu hier:

https://wernerkrebber.wordpress.com/2015/10/04/walker-evans-tiefenschaerfe-die-retrospektive/