Heinrich Kämpchen: Hochflut

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Kennt ihr die Ruhr, die wilde Ruhr? –
Nicht wie sie gleitet durch die Flur
Im Maienglanz als holde Fei –
Nein, sah’t ihr sie in Raserei,
Gepeitschet von des Sturmes Ruten,
Wild über ihre Ufer fluten,
Schaumkronen auf den Wogenkämmen? –
Dann kann nicht Menschenwerk sie hemmen,
Kein Wall sich ihr entgegen stemmen –
Frei, fessellos rast sie einher
Von Berg zu Berg – ein tobend Meer. –
Das ist die Ruhr, die wilde Ruhr!

Ja, habt ihr so den Fluß geseh’n,
Entledigt jeder Fesselspur,
In seiner ganzen Kraftnatur –
Das ist die schöne wilde Ruhr. –

Heinrich Wilhelm Kämpchen (1847 – 1912)

Heinrich Kämpchen war Sohn eines Bergmannes und arbeitete selbst ab seinem dreizehnten Lebensjahr als Grubenarbeiter in der Zeche Hasenwinkel in Bochum-Linden. Zwischen 1872 und 1874 besuchte er die Bergvorschule in Dahlhausen. Obwohl er diese erfolgreich absolvierte verzichtete er auf seine Fortbildung zum Steiger. 1887 wurde er Invalide und lebte anschließend mit einer spärlichen Rente als Kostgänger in großer Armut.

Fritz Hüser, Chronist der Arbeiterliteratur, schrieb über ihn in der „Deutschen Biographie“: „Die lebensgefährliche Arbeit unter Tage ließ bei K. ähnlich wie bei vielen älteren Bergleuten ein mystisches Verhältnis zur Erde und eine leidenschaftliche Liebe zur Natur und zur Heimat entstehen; sie förderte aber ebenso leidenschaftlich den Willen zum Kampf um Anerkennung und Gerechtigkeit.“